Einige werden unseren Artikel über das Schülerprojekt El-Scooter noch in Erinnerung haben. Hier gibt es Neuigkeiten – Vereinsmitglied Wolfgang war vor Ort:
Im Sommer 2015 erhielten wir, der Solarmobilverein Erlangen, unerwarteten Besuch. Jan Wick, Robin Burkert, Johannes Senft und Franziskus Barleben – vier Schüler der Fachrichtung Mechatronik der Rudolf-Diesel-Techniker-Schule in Nürnberg kamen zu uns und suchten Rat und Hilfe in folgender Angelegenheit:
Sie hätten, so wie andere Schüler auch, im Rahmen ihrer Ausbildung an der Schule die Aufgabe, sich zu viert als Team ein technisches Projekt auszudenken, es zu bearbeiten und erfolgreich zu realisieren. Die Schule begleitet das Projekt und benotet es am Ende. Die Note geht in die Abschluss-Zeugnisse der Schüler ein.
Die Idee der Schüler war, einen alten gebrauchten Motorroller auf einen umweltfreundlichen E-Antieb umzubauen. Die Vier erklärten, warum sie gerade zu uns gekommen waren: Sie hatten gehört, dass der Solarmobilverein Erlangen der erste Ansprechpartner für elektrische Mobilität weit und breit ist, dass dort – und nur dort – eine große technische Kompetenz und ein großer Erfahrungsschatz in puncto „Umbau auf Elektro“ vorliegt, und dass sich an dieser Stelle versierte Fachleute treffen, deren Wissen man anzapfen kann. Sie setzten also große Erwartungen in den Solarmobilverein Erlangen.
Nach diesem Paukenschlag ergab sich eine lebhafte Diskussion mit Fragen und Antworten zwischen den Vieren und uns. Das Projekt befand sich noch in seiner Anfangsphase, so dass man sich noch nicht auf spezielle, elektrische Komponenten festgelegt hatte. Der Umbau sollte in privaten Räumlichkeiten stattfinden, das finanzielle Budget war sehr eingeschränkt.
Wir überlegten, wie wir ihnen helfen könnten. Unserem Vereins-Mitglied Andreas fiel ein, dass er seit Jahren bei sich zu Hause einen funktionsfähigen Elektromotor liegen hat, den er entbehren kann und der aufgrund seiner Eigenschaften (klein, leicht und leistungsstark) optimal geeignet ist: ein Gleichstrom-Scheibenläufer, wie der auch in manchen City ELs eingebaut ist. Mit knapp 5 Kilowatt Leistung ist dieser für einen Roller zwar vergleichsweise überdimensioniert, aber warum nicht klotzen statt kleckern? Man wurde sich einig. Andreas sponserte den Motor. Nach Stunden verabschiedeten sich die Vier von uns. Sie schienen sehr zufrieden zu sein.
In den Wochen danach begannen sie zusammen mit den Lehrern ihrer Schule die theoretischen, planerischen, logistischen und praktischen Arbeiten an ihrem Projekt. Anfang März 2016 war es dann soweit: Die Vier hatten den Roller umgebaut, er war fertig. Sie luden uns zu einer Veranstaltung am 3. März 2016 an ihre Schule ein. Dort würden sie ihren fertigen Elektro-Roller präsentieren.
Meine persönlichen Impressionen zur Umsetzung des Roller-Projekts:
Der fertige Roller macht optisch einen sehr ansprechenden Eindruck. Die großen Kunststoff-Verkleidungsteile sind frisch lackiert. Der Roller erstrahlt in einer leuchtend grünen Farbe. Er sieht fast aus wie neu. Nur an den abgefahrenen Reifen kann man erkennen, dass er gebraucht ist.
Hinten links fällt der Elektromotor auf, der ein wenig nach außen übersteht. Es ist der oben erwähnte Gleichstrom-Scheibenläufer.
Technische Daten:
Hersteller: Perm Motor GmbH
Typenbezeichnung: Perm PMG 132
Spannung: 48 V
Strom: 110 A
Drehzahl: 2300 U/min
Drehmoment: 20,5 Nm
Leistung: 4,74 kW
Gewicht: 11 kg
Vor dem Umbau waren der Benzinmotor und ein sogenanntes „Variomatic-Getriebe“ – automatische stufenlose Verstellung des Übersetzungsverhältnisses – an der Hinterrad-Schwinge angebaut.
Benzinmotor und Variomatic wurden entfernt. Zum Anbau des Elektromotors und eines eigen konstruierten Getriebes (mit fester Übersetzung von Motorwelle auf Hinterradwelle von ca. 9:1) musste die Schwinge erheblich umgestaltet werden. Dazu wurde eine massive Trägerplatte aus Edelstahl angefertigt und angebaut.
Motor-Controller: Hersteller Curtis, Gleicher Typ wie im City EL. Auf der rechten Seite hinten unten montiert. Von außen sichtbar.
Batterien: Hersteller EXIDE
Typ: Blei-Vlies, verschlossen, wartungsfrei, in beliebiger Lage einbaubar, 4 Stück mit je 12 Volt, 30 Amperestunden, alle 4 in Reihe geschaltet, unter der Sitzbank eingebaut und mit Spanngurten befestigt.
Gasdrehgriff zum Fahren und Beschleunigen: wie gewohnt am Lenker vorne rechts. Potentiometer, es wird der ohmsche Widerstand ausgewertet und als Eingangs-Signal an den Motor-Controller angeschlossen.
Bordnetz für Beleuchtung, Hupe und andere Verbraucher: 12 Volt, gespeist durch einen DC/DC-Wandler 48/12 Volt.
Anzeige-Kombi-Instrument in der Mitte des Lenkers: das alte aus der Zeit vor dem Umbau.
Tachometer: mechanisch, der alte aus der Zeit vor dem Umbau, biegsame Welle zur Vorderradachse.
Anzeige des Batterie-Ladezustands:
Das alte elektrische Zeiger-Instrument aus der Zeit vor dem Umbau. Es hatte ehemals den Füllstand des Benzintanks angezeigt und wird jetzt angesteuert von einem kleinen programmierbaren Steuergerät, Typ „Arduino UNO“, Programmiersprache C. Das Steuergerät misst die Batteriespannung. Es wertet die Spannung bei Stillstand des Rollers aus, nicht während der Fahrt. Dazu ist an der Bremsscheibe des Hinterrades ein eigener elektrischer Impulsgeber angebaut, der die Speichen der Bremsscheibe abtastet.
Batterie-Ladegerät: Made in Taiwan – Lose, das heißt nicht fest eingebaut
Typ: PB-360P-48
Eingangsspannung: AC 200 bis 240 Volt, 50 Hertz
Ausgangsspannung: 57,6 Volt
Ausgangsstrom: 6,25 Ampere
Eine Zulassung zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr gibt es noch nicht, wird aber angestrebt. Der TÜV hat eine Sondergenehmigung in Aussicht gestellt, falls die technischen Prüfungen bestanden werden.
Durch den Einbau der vier schweren Bleibatterien ist das Leergewicht des Rollers angestiegen, das zulässige Gesamtgewicht ist gleich geblieben. Es muss neu festgelegt werden, wie viele Personen mit dem Roller befördert werden dürfen. Leergewicht nach dem Umbau: 140 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 280 kg
Fazit:
Die vier Schüler haben es in erstaunlicher Weise fertig gebracht einen Motorroller, der ehemals von einem Benzinmotor angetrieben wurde, auf Elektroantrieb umzubauen.
Sie haben vorhandene Einrichtungen und Teile an dem Fahrzeug, bei denen dies möglich und sinnvoll war, beibehalten und weiterverwendet.
Sie haben einige der erforderlichen neuen elektrischen Komponenten durch Sponsoring erworben.
Der Einbau der neuen Teile forderte von den Schülern technisches Wissen, handwerkliches Geschick, Arbeitseinsatz und Beharrlichkeit.
Durch ihre aufgeschlossene, kontaktfreudige und sympathische Art haben sie es verstanden, andere Menschen, Institutionen und Firmen für ihre Idee zu begeistern, und große materielle Unterstützung zu erhalten, wodurch sie die Kosten ihres Projektes sehr niedrig halten konnten.
Der Umbau stellt eine herausragende technische Leistung dar und verdient unsere uneingeschränkte Anerkennung und Beachtung.
Sie lasen einen Beitrag von Vereinsmitglied Wolfgang Rothmeier.